Herr Tourette auf Tour - die Abenteuer eines glücklichen Menschen by Bastei Lübbe

Autor:Bastei Lübbe [Lübbe, Bastei]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-21T16:00:00+00:00

Close-to-hell-espresso

Indianapolis, USA

Am Check-in-Schalter von Air Canada erfahre ich, dass der Flug 443 von Vancouver nach Chicago wegen eines spät angekommenen Flugzeugs gestrichen worden ist. Die Frau am Schalter ist hilfsbereit:

»Wir können Sie auf einen Flug nach Denver buchen, dann können Sie von dort nach Chicago fliegen. Sie werden dann in Chicago O’Hare etwas später landen, aber dennoch rechtzeitig genug, um Ihren Flug nach Europa zu erwischen.«

Ich tue so, als würde ich das in Erwägung ziehen, das mache ich ihretwegen, damit sie das Gefühl hat, wirklich einem Menschen in so einer Luxusnot zu helfen. Sie ist freundlich, und Freundlichkeit sollte wenigstens mit vorgeschützter Freundlichkeit belohnt werden. Ich sehe zur Abflug-Tafel hoch, und jetzt fühle ich das Zucken im Bauch, der Tic meldet sofort, wenn etwas oder jemand spannend ist, die Vernunft kann oft nicht mit der Intuition Schritt halten.

Indianapolis.

Ich lese den Namen noch einmal.

Indianapolis.

Das kostet mich ein paar Hunderter mehr, doch das ist es bestimmt wert, und sei es auch nur wegen der Architektur.

Indianapolis.

Jeder, der schon einmal über eine Stadt im nordamerikanischen Mittleren Westen geflogen oder in ihr gelandet ist, weiß, dass man erst nichts sieht, dann einen Acker, dann etwas, das sich in einen von einer halben Million Menschen bewohnten Acker und einen großen Flugplatz verwandelt.

Indianapolis International Airport.

Ich gleite schnurstracks durch die Sicherheitskontrolle und werde mit einem entspannten Nicken willkommen geheißen. Ein paar Meter weiter, am Meeting Point 3, sehe ich eine Gruppe Amish, die mit kerzengeraden Rücken da stehen und auf etwas oder jemanden warten. Alles an ihnen ist schwarz oder weiß, von den Kleidern über die Haut bis zu den kleinen Fingern, die aus dem schwarzweißen Kleiderärmel des kleinen Mädchens ragen. Ihre Augen lächeln mir unter dem Hut, der ihre Stirn verbirgt, zu, und ich erwidere ihr Lächeln, denn schließlich hat sie angefangen. Das selbstgenähte Kleid des kleinen Mädchens stellt einen harten Kontrast zu dem Filmplakat des Walt-Disney-Konzerns an der Terminalwand hinter ihr dar.

Als ich in die Ankunftshalle komme, erinnere ich mich plötzlich, dass in der Zeitschrift In Flights »25 Facts of Indianapolis« aufgelistet waren, unter anderem, dass fünfundzwanzig Prozent der Einwohner der Stadt Afroamerikaner sind. Ich besteige ein gelbes Ford-Taxi und bin etwas enttäuscht, als die Tür von einem kleinen, dicken Mann mit blauer Sportjacke und ketchuprotem Haar geöffnet wird.

Ich gleite auf den lederbezogenen Rücksitz und sage, wie immer, wenn ich nicht weiß, wohin ich will:

»Downtown bitte.«

Die meisten Taxifahrer versäumen keine Gelegenheit, interessante Dinge über ihre Stadt zu sagen. Dieser hier stellt eine Ausnahme dar.

»Und warum besuchen Sie Indie?«, fragt er.

Das ist nicht unbedingt eine besondere Frage, aber sein Tonfall ist ungefähr so begeistert, als würde er fragen: »Und wie lange bleiben Sie im Krankenhaus?«

Und dann fährt er unverändert unbegeistert fort:

»Es gibt nur drei Gründe, freiwillig nach Indianapolis zu kommen, wissen Sie, welche das sind?«

»Nein.«

»Ich auch nicht.«

Nun bemühe ich mich, mein Interesse für Indianapolis zu erklären, die Architektur und die hohen Häuser, sage, dass Indianapolis schließlich für seine verspielte Architektur bekannt ist.

»Das ist schon eine Zwischenlandung wert«, betone ich.

»Sie sind also in Indie, weil Sie hier zwischenlanden?«

»Ich bin freiwillig zwischengelandet.

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